Das erste Jahr von „für immer“

Vor einem Jahr legte ich ein Gelübde ab – feierlich, das heißt, im Angesicht der Kirche, und unbegrenzt, das heißt, ich habe mich für mein ganzes Leben (statistisch gesehen noch ca. 25-30 Jahre) verpflichtet, nach den Evangelischen Räten zu leben, täglich zur Messe zu gehen, täglich eine halbe Stunde anbetend vor dem Tabernakel oder bei der Eucharistischen Anbetung zu verweilen, mindestens einmal im Monat das Sakrament der Versöhnung zu empfangen.

Corona hat mir bezüglich der Punkte „täglich zur Messe, täglich zur Anbetung“ hier und da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zweimal war ich in Quarantäne, eine Zeitlang durfte ich auch ohne Quarantäne nicht zur Messe. Ich bin sehr dankbar für die zahlreichen gestreamten Messen – die sind zwar kein vollwertiger Ersatz, aber weit besser als nichts. Der Rosenkranz ersetzt mir an Quarantäne-Tagen die Anbetung. Ein wenig seltsam und traurig war es schon, gleich so eingeschränkt zu sein, kaum daß ich gesagt hatte: Für immer! – aber es ändert ja nichts Grundsätzliches.

Ich bin glücklich, diesen Schritt gegangen zu sein. Ordensfrau bin ich nicht (zu meinen Gründen, nicht in einen Orden einzutreten, zählt vor allem, daß das meiner Ansicht nach keinem Orden gut täte). Aber ich orientiere mich teilweise am monastischen Leben. Immer wieder mache ich die Erfahrung, daß „bete und arbeite“ ein sinnvoller Rat ist und daß das Stundengebet sehr segensreich ist. Auch hierbei ist das Internet eine große Hilfe – über Skype kann ich mit Freunden gemeinsam beten (auch wenn wir weit voneinander entfernt wohnen, und auch in Quarantäne).

Ich habe mir diesen Jahrestag anders vorgestellt. Gern hätte ich vorher eine Woche oder wenigstens einige Tage bei befreundeten Schwestern in einem Kloster verbracht, gern hätte ich heute die Messe gemeinsam mit Freunden gefeiert und danach mit ihnen ausgiebig beim Bäcker gefrühstückt. Die Vorbereitung auf diesen Jahrestag war nun in den Alltag eingebunden, die Messe wird ganz klein, und später werde ich über Skype mit Freunden plaudern.

Aber ich darf auch auf dies seltsame Jahr mit Freude und Dank zurückblicken. Immer mehr erfahre ich, daß mein Gelübde in Wahrheit ein wunderbares Geschenk Gottes an mich ist. Ich darf Ihm dienen, und Er gibt mir die Fähigkeit und die Kraft dazu.

 Zum ersten Jahrestag

 Ich darf Dir dienen. Du hast mich gerufen.
 Du zeigst mir Wege durch die Wüstenzeit.
 Du führst mich und Du machst mein Herz bereit.
 Du bahnst den Weg und trägst mich über Stufen.
  
 Ich hab das Jahr mit Zuversicht begonnen
 Und bleib am Jahrestag voll Zuversicht.
 Was immer kommt, Du kommst und bleibst mein Licht!
 Mit Dir ist jetzt schon jeder Kampf gewonnen!
 
 Vielleicht liegt bald schon alles in Ruinen.
 Vielleicht wird darauf Neues aufgebaut.
 Du bist und bleibst, so anders, so vertraut!
  
 Du bist mein Heiland und mein Bräutigam,
 Der einst in mein ganz fremdes Leben kam.
 Du hast gerufen, und ich will Dir dienen. 

© Claudia Sperlich

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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