Konfessionelle Gräben überspringen

… kann z.B. beim Nightfever gelingen, einer im Grunde ganz und gar katholischen Form des Gottesdienstes: Messe, danach mehrere Stunden der Eucharistischen Anbetung und Gelegenheit zu Beichte bzw.  seelsorgerlichem Gespräch und Segen.

Ich hatte gestern in meiner Heimatgemeinde Lektorendienst und kam zu Nightfever in der nahegelegenen Rosenkranzbasilika,  als die Anbetung schon im vollen Gange war. Wie bei Nightfever üblich,  wurde dazu sehr schön musiziert. Ein Priester war diesmal nicht dabei (schade, ich hatte beichten wollen). Allerdings gab es die Möglichkeit zu Gespräch und Segen durch eine Ordensschwester.

Wie immer war die Atmosphäre harmonisch,  friedvoll, liebevoll, und vor dem Eucharistischen Herrn wurde gebetet und gesungen und geschwiegen.

Als ich ging, stand einer der Helfer vor der Tür und sprach mich an. Ich sagte, wie schön ich es wieder einmal fand, und auch, daß ich einen Beichtvater vermisst hatte. Er versprach,  das weiterzugeben. Ich sagte noch,  wir Katholiken haben es doch gut, daß wir die Anbetung haben. Darauf sagte er, er sei Baptist.  Und er komme immer zum Nightfever,  weil es hier so schön sei, geschmückt und mit Bildern an den Wänden und nicht so vollkommen nüchtern wie ein baptistischer Gottesdienst.  Denn die Baptisten sagen, es geht einzig und allein um den Dreieinen Gott,  und nichts soll von Ihm ablenken.  (Die Katholiken hingegen: Es geht einzig und allein um den Dreieinen Gott,  für den es gar nicht prächtig genug sein kann.)

Wir sprachen noch eine Weile miteinander und waren uns einig, daß der Glaube an den einen dreifaltigen Gott viel wichtiger ist als alles, was uns kultisch und theologisch trennt.

Natürlich hoffe ich insgeheim,  daß der junge Mann zur katholischen Kirche konvertiert. Und ich gestehe ihm zu, daß er vielleicht in mir eine künftige Baptistin sieht. Es ist unser gutes Recht,  dem anderen zu wünschen,  was  wir für das Beste halten. Wichtiger ist,  daß wir das tun, was wir von Gottes Willen verstehen, so viel oder wenig das sein mag.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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