So heißt der heutige Gedenktag bei Katholiken. Joseph, der stille, gerechte und fleißige Heilige, der Frau und Ziehsohn in schwierigen Zeiten als Bauhandwerker durchbrachte (vermutlich konnte er mit Stein ebenso umgehen wie mit Holz; es gab noch keine scharfe Trennung der verschiedenen Bauhandwerke) – er wird mir mit den Jahren immer sympathischer. Er war als Handwerker sicher sehr realistisch – und zugleich war er einer, der auf Träume achtete. Er nahm gegenüber Jesus die Stelle des Vaters ein – aus gehorsamer Liebe zu Gott, aber dann sicher auch aus Liebe zu Maria und dem zunächst einfach nur süßen, hilfsbedürftigen Kind. Er wuchs in die Vaterrolle so sehr hinein, dass es bei Lukas 2,48-50 über den zwölfjährigen Jesus im Tempel heißt: „Als Seine Eltern Ihn sahen, waren sie voll Staunen und Seine Mutter sagte zu Ihm: „Kind, warum hast Du uns das angetan? Siehe, Dein Vater und ich haben Dich mit Schmerzen gesucht.“ Da sagte Er zu ihnen: „Warum habt ihr Mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass Ich in dem sein muss, was Meinem Vater gehört?“ Doch sie verstanden das Wort nicht, das Er zu ihnen gesagt hatte.“ Er hatte väterliche Gefühle, obwohl er genau wusste, wer den eigentliche Vater war – und diese Gefühle waren offenbar so stark, dass sie das Wissen um diese heilige Wahrheit auch mal verdecken konnten. Ich finde, das macht Joseph sehr sympathisch.
Der kleine Jesus hat ihn sicher „Abba“ genannt. Der Heranwachsende hat bei ihm höchstwahrscheinlich das Handwerk gelernt und in diesem Handwerk wohl auch als junger Mann vor Seinem öffentlichen Auftreten gearbeitet. Und vermutlich ist Joseph bereits vor der Hochzeit in Kana gestorben, sonst wäre er wohl dabei gewesen.
Kurz nach der Wahl der Zwölf heißt es bei Markus 3,20-35: Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. Als Seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um Ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen. … Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um Ihn herum und man sagte zu Ihm: „Siehe, Deine Mutter und Deine Brüder stehen draußen und suchen Dich.“ Er erwiderte: „Wer ist Meine Mutter und wer sind Meine Brüder?“ Und Er blickte auf die Menschen, die im Kreis um Ihn herumsaßen, und sagte: „Das hier sind Meine Mutter und Meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.““
Seine Mutter und Seine Brüder sind da. Mit den „Brüdern“ müssen ältere Verwandte gemeint sein; selbst wenn Maria (was die katholische Kirche nicht annimmt) noch weitere Kinder gehabt hätte, wären die ja jünger gewesen als Jesus und hätten Ihm mithin gar nichts zu sagen gehabt. Also ältere Cousins, vielleicht auch Onkel. Die also wollen Ihn mit Gewalt zurückholen, um Ihn vor sich selbst zu schützen. (Maria will das nicht; sie wird nicht einfach als „Angehörige“ bezeichnet, sondern als Mutter, und wird später genannt. Auch tut sie ja den Willen Gottes, wie Jesus sehr genau weiß.) Joseph kommt hier nicht vor. Das kann nur heißen, dass er schon tot war – denn sonst hätte er bei einer solchen Aktion dabei sein müssen – oder er hätte sie untersagt. (Maria konnte höchstens sagen „Hört auf, mein Sohn ist nicht verrückt“ – aber keiner der Männer war gezwungen, sich an ihr Wort zu halten.)
Dass Joseph oft als alter Mann dargestellt wird, geht auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus zurück, das etwa zwischen 150 und 200 n.Chr. entstand und legendenhaft das Marienleben schildert. Tatsächlich ist es viel wahrscheinlicher, dass Joseph nur wenig älter als Maria war, als die beiden verlobt wurden – wie es in der Zeit eben üblich war.
Warum er vermutlich früh starb, ist nicht bekannt. Vielleicht wurde er krank, vielleicht hatte er einen Arbeitsunfall.
So wenig wir über Joseph und sein Schicksal wissen, was wir wissen, ist mir doch genug für ein Lied und ein Sonett.
Melodie: Alles meinem Gott zu Ehren, GL 455
Wort, das in die Welt gekommen
durch des Geistes Kraft und Tat,
Dich hat Joseph aufgenommen
väterlich nach Gottes Rat,
sah auf Deine ersten Schritte,
lehrte Lobpreis Dich und Bitte,
lehrte Handwerk Dich und Fleiß
väterlich zu Gottes Preis.Joseph hört auf Gottes Worte,
bringt in jener Schreckenszeit
aus gewohntem Heimatorte
Frau und Kind in Sicherheit,
hütet aller Welten Hüter,
nährt den Geber aller Güter,
dient dem jungen Gottesknecht
treu und liebend und gerecht.Joseph, bitt, dass Gottes Segen
auch auf unsrer Arbeit ruht.
Hilf, dass wir für Den uns regen,
Der die Wahrheit ist und tut.
Zeig uns, wie wir in Gefahren
Ruhe und Vertrauen wahren.
Du hast Gottes Sohn bewacht –
Steh uns bei in Not und Nacht.© Claudia Sperlich
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Er wurde nie von seinem Herrn gefragt,
ob er den sonderbaren Ziehsohn wollte.
Er lernte träumend, wie er handeln sollte –
und blieb bei ihr und hat sich nicht beklagt.
Schon möglich, daß er trauerte und schmollte,
vielleicht von Zorn und Zweifel angenagt.
Doch hat das Ungewohnte er gewagt,
als das verheißne Wort ihn überrollte.
Er richtete, so gut es ging, die Hütte
und legte seinen Mantel auf die Schütte,
damit Maria weich lag und der Knabe.
Er brachte beide durch als Gastarbeiter.
Die Träume blieben seine Wegbereiter.
Vielleicht sah er den Sohn als Gottesgabe.
© Claudia Sperlich


