Tag der offenen Tür im Priesterseminar Redemptoris Mater

Am Sonntag war herrliches Wetter, und einer Radtour durch Berlin stand nichts im Weg. Aber es hätte auch bei Regen gelohnt. Das Priesterseminar Redemptoris Mater ist in Biesdorf gelegen, gut 22 Kilometer von meinem Standort – aber wenn man gut aufgepumpte Reifen hat und die besonders in Kreuzberg herumliegenden Flaschenscherben vermeidet, ist es zu schaffen.

Biesdorf ist eine verträumte Ortschaft, die gerade noch zu Berlin gehört. Das Gebäude – eine bemerkenswert gute, zugleich schöne und funktionale Architektur der 60er Jahre – und der umgebende Park sind sehr gepflegt. Für die zahlreichen Gäste war in freundlichster Weise gesorgt: Büffet, Grill und – für mich nach der langen Fahrt durch pralle Sonne sehr wichtig – große Mengen Zitronenwasser (aber es gab auch reichlich andere Durstlöscher). Alles machte einen professionellen Eindruck, wie von einer Cateringfirma – aber organisiert hatten es die Seminaristen und zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter. Dass hier Männer ausgebildet werden, die nicht im Elfenbeinturm leben und sich fürs Abwaschen und Aufräumen nicht zu schade sind, sah man bald – denn immer wieder verschwanden ein paar Seminaristen mit einer Kiste voll schmutzigem Geschirr im Gebäude und kehrten mit sauberem Geschirr zurück, bedienten am Getränkestand und grillten.

Bei der Führung durch das Gebäude fragte ich erst vorsichtig, ob man viel gehen oder stehen müsse, denn meine Knie können das nicht besonders gut. Ein Seminarist bot mir sofort an, meine Tasche zu tragen, was eine gute Hilfe war.

Redemptoris Mater – Mutter des Erlösers – heißen weltweit über hundert Priesterseminare, die vernetzt sind und Missionspriester ausbilden. Zehn Jahre dauert die Ausbildung. Wer hier anfängt, muss bereit sein, wirklich alles hinter sich zu lassen, denn gleich zu Beginn wird für jeden Seminaristen ausgelost, an welchem Ort seine Ausbildung stattfinden wird. Da heißt es unter Umständen zunächst die Landessprache lernen. Biblisches Hebräisch, Griechisch und Latein sowie Italienisch folgen. (In Biesdorf sind derzeit mehrere italienische Seminaristen, das dürfte für die anderen, die diese Sprache noch lernen müssen, ein großer Vorteil sein.) Das Studium der Philosophie und das der Theologie folgen. Das neunte Jahr der Ausbildung findet in Rom statt. Dann wird der Seminarist wieder durch Losverfahren in irgendeiner Pfarrei als Praktikant eingesetzt, und dann endlich darf er geweiht werden.

Derzeit leben hier vierzehn Seminaristen. Vier Formatoren, d.h. Ausbilder (Regens, Subregens, Spiritual und Dozent der Fundamentaltheologie und Dogmatik) und dreizehn weitere Dozenten unterstützen, begleiten und lehren die jungen Männer.

Die Führung begann in einem Gebetssaal, in dem sich an der Stirnseite eine prachtvoll gebundene Bibel und darunter das Tabernakel befindet. Das Wort Gottes in Schrift und Sakrament trägt alles; der Seminarist, der uns führte, erklärte, es sei der wichtigste Raum im ganzen Gebäude. Gegenüber ist ein etwas erhöhter Priestersitz und dahinter eine Kanzel, wiederum etwas höher, so dass verdeutlicht wird: die Bibel ist bedeutender als der Priester. In diesem Raum beginnt der Tag der Seminaristen.

Die Kapelle ist geprägt von einem riesigen Tischaltar aus weißem Marmor und einem Triptychon, links die Kreuzigung, rechts die Frauen am leeren Grab, in der Mitte die Geistsendung. Ein Tabernakel gibt es hier nicht; die Hostien werden täglich von den Seminaristen selbst für die abendliche Eucharistiefeier gebacken.

Die Bibliothek ist hochwertig und gut bestückt, und so gut wie alle Bücher sind Spenden. Auch feine Antiquitäten sind darunter, und ich hätte gerne Zeit gehabt, die Inkunabeln zu durchblättern.

Die Seminaristen wohnen in kleinen, funktionalen Zweierzimmern. Auch hier wird jährlich durch Losverfahren gewechselt; keiner hat Einfluss darauf, mit welchem Kommilitonen er das nächste Jahr ein Zimmer teilt. Auf meine Frage, wie sie damit umgehen, wenn zwei gar nicht miteinander auskommen, lachte der der Seminarist, der die Führung machte: Passiert nicht. Dann allerdings gestand er ein: Einmal kam es vor, dass ein Schnarcher das Zimmer mit einem teilte, der das nicht ertrug und nicht schlafen konnte. Hier wurde dann ausnahmsweise mal getauscht.

Der Tageslauf ist eng getaktet. Gebet und Eucharistie prägen und rahmen ihn. Viele Stunden sind dem Studium gewidmet. Aber auch Sport und Musik kommen in der Freizeit zum Tragen.

Am Nachmittag hielten Dr. Florian Erlenmeyer (Fundamentaltheologie und Dogmatik) und Dr. Marco Hausmann (Metaphysik, Religionsphilosophie, Latein) gemeinsam einen Vortrag zum Thema „Warum und was studieren Seminaristen?“. Es ging um die drei Säulen, die Dimensionen des Glaubens, und die beiden Dozenten legten im Wechsel dar, dass es aus vielen Gründen vernünftig ist, zu glauben. Mir gefiel dabei nicht nur die frische Art der Wissensvermittlung, sondern auch, dass Dr. Erlenmeyer die Veranstaltung selbstverständlich mit einem Gebet begann. (Ich erinnere mich an meine Studienzeit in Münster, wo ich einmal anregte, die Seminare mit Gebet zu beginnen, und das Echo war: Wir müssen Studium und Gebet voneinander trennen. Ich bin froh, dass nicht nur ich das anders sehe.)

Den Abschluss bildete das Kerygma. Ein großes Kreuz und ein Mikrophon wurden im Garten aufgestellt. Nach einem biblischen Impuls trug ein Seminarist mit Gitarre ein durchkomponiertes Marienlied vor, das ich sehr schön fand. Ein anderer, der heute sein schwarzes Hemd mit „Priesterkragen“ bekommen hat (wie hier bei den Seminaristen nach Ablauf des vierten Jahres üblich), erzählte, wie er zu seiner Berufung gefunden hatte und wie ihm das Leben hier gezeigt hat, dass er nicht perfekt sein muss, um geliebt zu sein. Dann wurde noch weiter gesungen, und langsam klang dieser schöne Tag aus.

Ich bin dankbar, dass es auch in Berlin rechtgläubige, fröhliche, tatkräftige und von albernen Modernismen unberührte Priesteramtskandidaten gibt. Gott segne sie alle.

Dass ich übrigens ohne Unfall und ohne Platten an einem Tag in Berlin über vierzig Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegte, werte ich als besondere Gnade. Vielleicht hat das mit den vielen frommen Menschen zu tun, denen ich begegnen durfte.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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