Manchmal werde ich gefragt, wieso ich Christin geworden bin. Die kurze Antwort ist: Weil das besser ist, als Atheistin zu bleiben. Die längere Antwort ist hier:
Erzogen wurde ich in einem religionsfernen, wenn auch vom Christentum selbstverständlich geprägten Weltbild, in dem Friede und Verzeihungsbereitschaft hohe Bedeutung hatten und abendländischer Kunst und Kultur höchste Bedeutung zukam. Mein Vater lehrte mich, daß ohne Bibelkenntnis weder die deutsche Sprache mit ihren zahlreichen biblischen Wendungen und ihrer bedeutenden religiösen Dichtung noch die europäische Kultur mit unzähligen Kirchen und religiösen Bildern verständlich seien. Dabei wurde vorausgesetzt, daß Religionen ein kulturstiftendes Hilfsmittel zum Weltverständnis vor der Aufklärung sind, und daß man nun Religionen nicht mehr braucht und es ohnehin keinen Gott gibt. Jesus wurde nur als beeindruckende historische Persönlichkeit verstanden.
Du musst die Lutherbibel lesen, das gehört zur Bildung – in Abwandlungen hörte ich diesen Satz oft. In einer Zeit, in der ich eine naiv romantisierende Vorstellung von Kommunismus hegte, wie inWilliam Morris Kunde von Nirgendwo, begann ich, das Neue Testament und die Psalmen zu lesen. Ich strich in den Psalmen die Wörter frei und Freiheit an und sah die Verse mit linksintellektuellem Hochmut als Vorstufe zum freiheitlichen Denken.
Im Sommer 1983 wanderte ich allein in den Schweizer Alpen. Es war nicht meine erste, aber meine bisher höchste Bergtour, riskant und herrlich. Eine Taschenausgabe des Neuen Testaments und der Psalmen trug ich bei mir. Die Evangelien las ich als eine schöne und spannende Geschichte, die Psalmen als eindrucksvolle antike Lyrik. Besonders sprach mich der 121. Psalm an, weil ich nachvollziehen konnte, daß ein Mensch beim Anblick der Berge religiöse Scheu empfindet.
Ich hatte in einer Herberge übernachtet und war sehr früh aufgebrochen, stand auf einem Plateau in etwa 1800 Meter Höhe, von dem in Nord-Süd-Richtung ein für alpine Verhältnisse bequemer Weg hinunterführte; nach Osten ging es senkrecht abwärts, schroff und eindrucksvoll, tief unter mir ebenes Weideland. Die Sonne ging gerade auf, es war vollkommen klar – und ich begriff schlagartig, daß die Evangelien und Psalmen die Wahrheit sagen.
Es hatte nicht aus heiterem Himmel geblitzt. Es war mir keine Gestalt im weißen Gewand erschienen. Keine Stimme vom Himmel hat gesprochen. Es war nur die Sonne aufgegangen, im Osten, wie immer, an einem besonders schönen Ort, und für mich gab es von nun an keinen Zweifel mehr daran, daß der Dreieine Gott existiert und daß der 121. Psalm wörtlich zu nehmen ist.
Die Erkenntnis verhinderte zwar einige Zeit später nicht das Gefühl der vollständigen Verlassenheit und auch nicht verschiedene teils selbstverschuldete, teils ohne Eigenleistung dazubekommene Katastrophen – wie bei den meisten Menschen. Aber Gottes Existenz habe ich seither nicht einen Augenblick lang bezweifelt.
Wieder zu Hause, wandte ich mich an eine Katholikin, die mit meinen Eltern und mir befreundet war. Ohne daß sie mich darin beeinflusst hatte, fühlte ich mich zur katholischen Kirche hingezogen. Sie fragte mich, warum gerade zur katholischen und nicht zur evangelischen Kirche – und ich sagte: „Ich finde, das ist irgendwie ernster.“
Sie lud mich gemeinsam mit einem Pfarrer ein. Während sie in der Küche werkelte, ließ er sich von mir berichten, was mir widerfahren war. Er fragte wenig, hörte genau zu, zog an seiner Pfeife und meinte mit freundlicher Sachlichkeit: „Dann können wir Sie ja Ostern taufen.“
Die Katechese bestand darin, daß er mir auf meine vielen Fragen zu Bibel und Kirche ausführlich antwortete. In der Osternacht 1984 wurde ich getauft.
Es hat seitdem Zeiten gegeben, in denen ich mit der Kirche meine Schwierigkeiten hatte, aber selbst als ich nur noch enttäuscht und zornig an sie dachte und ihr fernblieb, kam ein Austritt für mich nicht in Frage – auch wenn mir als Argument nur Joh. 6,68-69 blieb: Wohin sonst?
Mit der Zeit verstand ich immer besser, warum die Lehre der katholischen Kirche auch da richtig ist, wo sie unbequem ist – ja gerade da. Ich brauche keinen bequemen Gott und keine bequeme Kirche – sondern den Herrn und Seine Braut, verbindlich und wahr. Um es bequem zu haben, ist ein Sofa ausreichend. Um Wahrheit und ewiges Leben zu erlangen, braucht es den, der Weg, Wahrheit und Leben ist.



Moin,
zugegeben, ich bin neugierig geworden, weil du auf facebook den durchgestrichenen Weihnachtsmann als Profilbild eingestellt hast. In der heutigen Zeit ja alles andere als normal – und das trifft auch den Tenor, den ich in meinem Weihnachtslied „Es wird wieder Weihnachten“ auf Youtube eingestellt habe. Aber darum geht’s mir in diesem Kommentar nicht 🙂
Der Einleitungs-Absatz deines Blog-Artikels hat mich ein wenig nachdenklich gemacht. Du schreibst: „Manchmal werde ich gefragt, wieso ich Christin geworden bin. Die kurze Antwort ist: Weil das besser ist, als Atheistin zu bleiben.“ – Das überrascht mich ein wenig. Ich hätte eher etwas wie „Weil Jesus für meine Sünden gestorben ist“ oder „Weil ich Jesus als Herrn und Erlöser angenommen habe“ oder ähnliches erwartet.
Ich meine, ja klar – Gott zeigt (auch) durch seine Schöpfung, wie groß und herrlich er ist, und wie ungemein kreativ. Meine Frau hat sich kürzlich ein Buch über Tiere gekauft mit Abbildungen, und auch da wird es noch mal sehr deutlich – ich meine, er hätte ja auch nur eine Art Fisch und nur eine Art Vogel erschaffen können. Allerdings ist es nicht das, was am Ende aller Tage darüber entscheiden wird, ob wir in den Himmel oder (hoffentlich nicht) in die Hölle kommen werden.
Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass unser „religiöses Parteibuch“ nicht den geringsten Einfluss darauf haben wird, sondern ausschließlich die Frage, ob unser Name im Buch des Lebens geschrieben steht, was mit der bewussten Entscheidung für Jesus als Sohn Gottes und Herrn und Erlöser der Fall ist. Und schließlich wollen wir ja nicht so enden wie jene, von denen Jesus in Matth. 25 ab Vers 31 spricht.
Was ich versucht habe zu erklären, ist dass der lebendige Glaube an Jesus weit mehr ist als nur „besser als nichts“. 🙂
Ich wünsche dir trotz „kein Weihnachtsmann“ 😉 eine schöne, erholsame Weihnachtszeit.
Gruß Jan
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Willkommen auf diesem Blog und Dank für den Kommentar! Freischaltung hat ein bisschen gedauert, ich bin ja manchmal auch nicht am Computer.
Einerseits finde ich „Wissen, dass Christus der Heiland ist“ in der Tat besser, als es nicht zu wissen. Daher meine flapsige Kurzfassung.
Andererseits schreibe ich auch, dass Grund für meine Hinwendung zum Christentum die Erkenntnis war, dass die Evangelien und die Psalmen die Wahrheit künden.
Im übrigen stimme ich Dir zu. Allerdings glaube ich, dass zunächst jeder im Buch des Lebens steht. Man muss sich schon sehr ernsthaft von Gott abwenden, um eine Streichung zu bewerkstelligen.
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Ich finde es toll, dass dich entschieden hast, deinen Glauben ernst zu nehmen. Aus langjähriger Erfahrung kann ich dir übrigens versichern, dass der Glauben anderen wie Evangelikalen oder Freikirchlern wie Pfingstlern oder Baptisten ihr Glaube ebenso ernst ist, auch wenn es vielleicht manchmal für Außenstehende nicht so aussehen mag.
Die Annahme, dass jeder im Buch des Lebens steht und erst dann nicht mehr wenn er gestrichen wurde, finde ich offen gesagt etwas gewagt und auch gefährlich, und ich erkläre auch gern warum ich so denke.
Es ist jeder Mensch nicht per se für den Himmel „tauglich“. Genau das Gegenteil steht ziemlich deutlich in Römer 3,12. Vielmehr würde das ja sonst bedeuten, dass wenn sowieso jeder in den Himmel kommt, Jesus nicht für unsere Sünden hätte sterben brauchen. Ich stelle mal die kühne Behauptung auf, Jesus hat nicht zum Vergnügen die brutalste Art der Hinrichtung gewählt, die es damals gab. Sondern weil zur Vergebung von Sünden immer Blut vergossen werden musste – man beachte z.B. die Opfervorschriften im Alten Testament. Allerdings war das in der Form nie in Gottes Interesse sondern eher unschöne Notwendigkeit, so dass Jesus schließlich selbst als Sündopfer auf die Erde kam und uns heute die Erlösung als Geschenk anbietet.
Nun ist das bei Geschenken allerdings immer so, dass man sie aktiv annehmen muss. Stell dir vor, jemand schenkt dir dein brandneues Traumauto. Bevor du nicht den Schlüssel und die Papiere annimmst, das Auto auf deinen Namen anmeldest und in die Kiste einsteigst, bringt dir das tolle Auto nichts, wenn es nur vor deiner Türe steht und vor sich hin rostet.
Genau so verhält es sich mit Jesu Erlösung: solange jemand nicht sagt, „Jesus, vielen Dank dass du für meine Schuld gestorben bist, bitte komm in mein Leben als mein Herr und Erlöser“, solange hat ein Mensch die Gnade zwar angeboten bekommen, aber nicht aktiv angenommen.
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Ich sehe das ähnlich, aber mit dem Unterschied, dass Gott sicher nicht die ablehnt, die Ihn ohne eigene Schuld nicht kennen.
Ich habe nicht behauptet, dass irgendjemand von selbst für den Himmel taugt – ganz im Gegenteil, das tut keiner, deswegen ist Jesus ja gekommen. Sondern dass meiner Ansicht nach jeder zunächst im Buch des Lebens steht. Nur leider entscheiden sich Menschen auch dagegen. Aber ein Mensch, der nicht entscheiden kann (z.B. ein Baby), wird doch von Gott nicht verworfen – Gott ist auf Seiten der Unschuld.
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