Der alltägliche Ableismus

Gerade wieder in einer Diskussion (unter einer sehr klar lebensbejahenden Äußerung einer christlichen Seite!) gelesen: Wenn bei einem Kind eine sehr schwere Behinderung zu erwarten ist, sollte man es abtreiben dürfen.

Solche Aussagen lassen mich nicht so sehr ratlos zurück wie äußerst wütend. Denn da wird Behinderten dreist das Lebensrecht abgesprochen,  und das noch mit dem „mitleidigen“ Argument,  es würde doch leiden!

Mit dem Argument,  er würde sonst allem Ermessen nach leiden, könnte man ausnahmslos jeden Menschen beseitigen.

Ja, ich weiß,  daß es schwere und schmerzhafte Behinderungen gibt, auch angeborene. Aber die Entscheidung über Leben oder Tod eines anderen, unschuldigen Menschen darf sich kein Mensch anmaßen.

Wäre es anders, wo wollte man die Grenze ziehen? Dürfte man ein bis dato gesundes Kind umbringen,  das bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen hat? Oder einen Säugling,  der an Meningokokken erkrankt? Oder ein Kind,  das nach einem Unfall hirnverletzt im Koma liegt? Oder einen dementen und inkontinenten Greis?

Wer ernsthaft meint, diese alle müssen gepflegt werden, weil sie definitiv leiden, das Ungeborene aber dürfe man töten, weil es vielleicht leiden wird, sollte sich mal ärztlich überprüfen lassen. Vielleicht ist bei ihm ja auch ab ovo was kaputt.

Und wer tatsächlich alles, was nicht „lebenstüchtig“ ist oder scheint, beseitigen will, ist ein Fall für die Forensik.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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6 Antworten zu Der alltägliche Ableismus

  1. Herr S. schreibt:

    Ja, so haben die Nazis argumentiert , wenn sie angeblich lebensunwertes Leben durch die sog. Euthanasie beseitigen ließen.

    Ich habe in einem Gebäude gearbeitet, in dem zur Nazizeit ein sog. Kinderfachkrankenhais eingerichtet war, in dem nachweislich mehr als 50 meist noch namentlich bekannte Kinder durch Injektion von Luminol umgebracht worden sind.

    KEINER der daran Beteiligten wurde letztendlich von der deutschen Justiz verurteilt – ein Skandal.

    Immerhin erinnern etwa seit der Jahrtausendwende eine Gedenktafel und zahlreiche sog. Stolpersteine an die Opfer dieser Verbrechen.

    Und, wie eine entfernte Verwandte (ehem. Nonne) mit rein Cherokee Lebenserfahrung von mir sagte:

    „Der Herrgott kriegt sie (die Täter) alle …!“

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  2. Herr S. schreibt:

    Sorry, Schreibfehler: „reicher“ statt „rein Cherokee“

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  3. Herr S. schreibt:

    Ich habe zudem bis zu meinem 10. Lebensjahr in unserer Familie zusammen mit meiner schwerstbehinderten Schwester auf engem Raum gelebt, bis sie mit 15 Jahren 1963 an einer Lungenentzündung starb.

    Mich hat diese Zeit sehr geprägt, und ich empfinde wie meine Eltern nach wie vor meine Schwester und ihr Leben als wertvoll und bereichernd für uns alle, auch wenn besonders meine Mutter dirch die Pflege und Beaufsichtigung Reginas stark beansprucht und gefordert war.

    Regina gab uns allen Ihrerseits Zeit ihres Lebens sehr viel Freude und Dankbarkeit zurück, und unmittelbar vor ihrem Tod kam es bei ihr noch zu einer geistigen Klarheit – gleichsam als löste und erhebe sich ihre reine Seele aus dem kranken Körper. Für meine anwesende Mutter und den im Krkhs herbeigerufenen Priester ein offenbar höchst beeindruckendes Erlebnos, so dass er das in seiner sonntäglichen Predigt am folgenden Tag behandelte.

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  4. Herr S. schreibt:

    Die inzwischen 60 Kahre zurück liegenden Ereignisse um den Tod meiner Schwester und deren Bedeutsamkeit sind mir erst vor einigen Jahren wirklich bewusst geworden.

    Vor rd 35 Jahren erfuhr ich von einem ähnlichen Phänomen, ohne auch dieses zunächst richtig einordnen zu können: Ich kannte einen Fleischer und seine Schwrster als Kunde vom Wochenmarkt her, wo die beiden einen Stand betrieben. Der Fleischer erkrankte schwer an Krebs (Kopftumor), fiel natürlich aus und ich erkundigte mich bei seiner Schwester immer mal wieder nach seinem Befinden, welches sich zusehends verschlechterte, so dass er schließlich ins Koma fiel. Ganz kurz vor seinem Tod jedoch erlangte er das Bewusstsein wieder, war völlig klar und konnte noch letzte Anwrisungen geben, dann starb er.

    Ich habe dieses merkwürdige Phänomen erst vor rd 8 Jahren in einen Zusammenhang mit den Begebenheiten vor dem Tod meiner schwerstbehinderten Schwester gebracht, als ich auf das Buch von Michael Nahm stieß: Wenn die Dunkelheit ein Ende findet - Terminale Geistesklarheit und andere Phänomene in Todesnähe, Crotona Verlag, Amerang (2012), 286S.

    Das Buch liest sich nach meinem Dafürhalten nicht ganz so leicht, ist mir aber wertvoll gewesen, da der Autor solche Fälle zusammenträgt, wo sich die jahrelang in einem kranken Körper quasi gefangene befreite Seele kurz vor dem Tod des betr. Menschen in ihrer eigentlichen unversehrten Existenz zeigt. Neben den schon eindrucksvoll von z.B. Jörgen Bruhn in seinem Nahtoderfahrungen behandelnden Buch „Blicke hinter den Horizont“ ein weiteres Werk, welches auch unabhängig von der Bibel auf die Existenz einer auchunabhängig vom Körper vorhandenen menschlichen Seele schließen lässt.

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