Andacht, Messe, Diskussionsrunde. Oder: Reporterin in Feindesland.

Am Samstag, 9. Oktober 2021, fand in meiner Heimatgemeinde St. Marien vor der Vorabendmesse die erste Rosenkranzandacht des Monats statt. Eine schöne Tradition! Allerdings war diese Andacht von der Sondergruppe Maria 2.0 organisiert. Ich ging hin, weil ich berichten wollte. Ich kam früh genug, um mich in der Anbetung vorbereiten zu können. Am Eingang lagen zwei Stapel Zettel – ein Faltblatt mit dem Ablauf der Andacht mit Gebeten und einem Lied, daneben die „Sieben Thesen“ der „Maria 2.0“, eine deutliche kirchenpolitische Forderung, über die ich hier bereits berichtete. Das brachte mich dazu, inniger als sonst das Jesusgebet zu sprechen (Herr Jesus Christus, erbarme Dich). Diesen Zugang zum Herzensgebet verbuche ich als durchaus positiven Effekt der Veranstaltung.

Ich versuche, möglichst sachlich zu berichten, allerdings werde ich durchaus auch meine Meinung sagen. Ich zitiere das Faltblatt abschnittweise und vollständig; wo innerhalb des Gottesdienstes die Thesen vorkommen, setze ich das in [Klammern] dazu.

Von Maria 2.0 kamen neun Frauen. Mit ihnen kam ein Priesterseminarist im Praktikum. Der Altarraum war schön und konventionell geschmückt mit einer holzgeschnitzten Madonna und einem darum drapierten blauen Tuch, beides aus Gemeindebesitz.

Faltblatt

"Was er euch sagt, das tut!"
Rosenkranzandacht zur Erneuerung der Kirche
Maria 2.0

"Was er euch sagt, das tut!" (Joh. 2,5)
Mit diesen Worten leitet Maria auf der Hochzeit zu Kana die entscheidende Wendung ein, als mit dem Wein auch die Freude ausging.
Angesichts der zahlreichen Missstände in der Kirche haben viele den Geschmack an ihr verloren. Daher beten wir für Geschwisterlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit in der Kirche, um die Freude am Glauben wieder aufleben zu lassen!
Gedächtnisprotokoll

Der Seminarist sprach einleitende Worte über den Rosenkranz als Vergegenwärtigung der Begegnung zwischen Gott und Menschen. Wir beten wie Maria, daß Gott auch in unserem Leben Gestalt annehme. Wir können unser ganzes Leben in den Rosenkranz hineinnehmen.

Eine Frau sagte etwas über den Rosenkranz und Menschen am Rande der Gesellschaft. Sie zählte Frauen generell dazu. 

Mir ist wichtig, daß trotz aller sinnvollen Mühe um positiv verstandene Geschwisterlichkeit zwischen den Brüdern und Schwestern im Glauben nicht die Geschwisterlichkeit den Mittelpunkt unseres Glaubens bildet, sondern der Herr. Zudem habe ich den Verdacht, daß „geschwisterlich“ im Kontext dieser Bewegung so einen Klang von „Friede Freude Eierkuchen“ hat. Das ist seit Kain und Abel unbiblisch und entspricht auch weder meiner familiären noch meiner kirchlichen Erfahrung. Auch Paulus musste die junge Gemeinde der Glaubensgeschwister ermahnen: „Ertragt einander in Liebe.“ (Eph. 4,2) – im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Demut.

Faltblatt

Ohr, das den Ruf vernahm... (Gotteslob Nr. 858)

Ein Lied, in dem Maria auf durchaus rechtgläubige Weise gepriesen wird. Den Refrain „Frau, sei uns Menschen nah, hilf, Maria“ kann ich aus vollem Herzen mitsingen. Hier das vollständige Lied, gesungen von einem Priester ganz und gar ohne Berühungspunkte mit den Zwonullerinnen.

Faltblatt

Wir glauben an Gott,
den Ursprung von allem, was geschaffen ist,
die Quelle des Lebens, aus der alles fließt,
das Ziel der Schöpfung, die auf Erlösung hofft.
Wir glauben an Jesus Christus, 
den Gesandten der Liebe Gottes, von Maria geboren.
Ein Mensch, der Kinder segnete, Frauen und Männer bewegte, 
Leben heilte und Grenzen überwand.
Er wurde gekreuzigt.
In seinem Tod hat Gott die Macht des Bösen gebrochen und uns zur Liebe befreit.
Mitten unter uns ist er gegenwärtig und ruft aus auf seinen Weg.
Wir glauben an Gottes Geist,
Weisheit Gottes, die wirkt, wo sie will.
Sie gibt Kraft zur Versöhnung und schenkt Hoffnung,
die auch der Tod nicht zerstört.
In der Gemeinschaft der Glaubenden werden wir zu Schwestern und Brüdern,
die nach Gerechtigkeit suchen.
Wir erwarten Gottes Reich.
Amen.

Daß Jesus Christus nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist, bleibt in dieser Neufassung des Credo undeutlich. Daß Er als Richter wiederkommen wird, wird verschwiegen.

Hierauf beteten wir den Eingang des Rosenkranzes (also Ehre sei dem Vater… Vater unser… drei Ave Maria mit den Einschüben „Jesus, der unsern Glauben vermehre / der unsere Hoffnung stärke / der unsere Liebe entzünde“, ganz wie üblich. Das Fatima-Gebet „O mein Jesus…“, das von vielen hinzugefügt wird (üblicherweise auch in unserer Gemeinde) wurde ausgelassen. Das ist prinzipiell kein Fehler, ein Rosenkranz ist auch ohne das Fatima-Gebet vollständig – aber daß diese eindrückliche Bitte um Verschonung vor der Hölle und baldige Erlösung der Armen Seelen in dieser Gemeinschaft ausblieb, schien mir hier doch symptomatisch.

Nun folgten die Gesätze des Rosenkranzes, die, wie bei Rosenkranzandachten üblich, weniger Avemarias umfassten als die üblichen zehn. Wenn ich richtig mitgezählt habe, umfasste das erste Gesätz zwei, das zweite drei, das dritte vier usw. Das finde ich problematisch, weil dadurch der Eindruck entsteht, als seien die Zusätze von verschiedener, steigender Wichtigkeit. Andererseits mag es einen mir verborgenen Sinn haben, ich will nicht mit Fleiß alles falsch finden an dieser Andacht.

Jedem Gesätz ging ein kurzer Text aus den Evangelien und eine kurze Betrachtung voran. Ich gebe den Inhalt der Betrachtungen aus dem Gedächtnis nach meinen Notizen wieder.

Faltblatt

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus...
... der uns annimmt, wie wir sind.
... der Unrecht und Machtmissbrauch verurteilt.
... der den Schrei nach Gerechtigkeit hört.
... der die Kleinen und Machtlosen in den Mittelpunkt stellt.
... der mit uns eine geschwisterliche Kirche ersehnt.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Grundsätzlich kann ich jeden dieser Einschübe überzeugt mitbeten, den ersten und den fünften allerdings mit einem „ja aber“ im Hinterkopf. Jesus nimmt uns an, wie wir sind – als Sünder -, aber Er sagt auch: Geh und sündige nicht mehr. Jesus will, daß wir geschwisterlich leben im besten Sinne, aber das Haupt der Kirche ist Er. Ursprung und Ziel der Kirche ist nicht ein liebevoller Familienkreis, sondern Gott.

Lektorin: Mt. 1,18-25 
Sprecherin: Jesus wird Mensch, und gleich steht fest, daß sein Leben außerhalt der üblichen Familienstrukturen stattfindet.  Wir beten für eine Kirche, die eine wertschätzende Haltung und Anerkennung zeigt gegenüber selbstbestimmter achtsamer Sexualität und Partnerschaft. [These 4] Wir beten um eine Kirche, die eine wertschätzende Haltung und Anerkenung gegenüber selbstbestimmter achtsamer Sexualität und Partnerschaft zeigt.

Gesätz:... der uns annimmt, wie wir sind.

Das ist eine unverschleierte Absage an die Sexuallehre der Kirche, derzufolge Sex in die Ehe gehört (und nirgend anders hin) und eine Ehe ausschließlich zwischen genau einem Mann und genau einer Frau möglich ist. Jesu wunderbare Zeugung und Geburt wird heruntergebrochen auf „war ebenfalls in keiner konventionellen Partnerschaft gezeugt“. Die Bedeutung des Wunders wird nicht angesprochen, Jesu Göttlichkeit ist nicht mehr so wichtig.

Lektorin: Mt. l8,1-6
Sprecherin: Schon unter seinen ersten Jüngern muss Jesus ein Mißverständnis klären...
[These 3] Wir beten für eine Kirche, in der Taten sexualisierter Gewalt umfassend aufgeklärt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden.

Gesätz: ... der Unrecht und Machtmissbrauch verurteilt.

Keine Frage, die Übeltaten böser Priester müssen aufgeklärt werden, ebenso wie die Übeltaten böser Väter, Sportlehrer, Trainer, Nachbarn usw. Ebenfalls keine Frage: Hier gab und gibt es Versäumnisse. Auch keine Frage: Insgesamt gelingt die Aufklärung in der Kirche derzeit weit besser als z.B. in Sportvereinen und Familien, und insgesamt ist die Täterzahl in der Kirche weit geringer als in Familien, Sportvereinen, Sportschulen usw. Damit will ich keinen Priester, der Täter wurde, entschuldigen. Aber der Satz mit dem Mühlstein und der Gedanke an notwendigen Schutz der Schwachen wird hier sehr verengt gesehen. Einem Kind absurd falsche Ideen über den dreieinen Gott und die Kirche in den Kopf pflanzen, es zu neurotischer Angst oder ihm selbst und anderen schädlichen Laissez-Faire erziehen, Ausbeutung jeder Art, Nötigung oder Überredung zu in sich bösem Tun jeder Art ist nicht weniger verabscheuenswürdig und geht weit eher in die Richtung, die der Herr vermutlich meinte.

Lektorin: Mk. 10,35-45
Sprecherin: Kurze Ausführung darüber, daß es ungerecht ist, wenn Frauen nicht zu Priesterinnen geweiht werden können.
[These 1] Wir beten um eine Kirche, in der alle Menschen Zugang zu allen Ämtern haben.

Gesätz: ... der den Schrei nach Gerechtigkeit hört.

Der Einfachheit halber verlinke ich hier mal wieder auf meinen Vortrag zum Thema, warum es keine römisch-katholischen Priesterinnen gibt. Und weil jetzt sicher jemand von „alten weißen Männern“ räsonniert, verweise ich auf Josephine Bakhita (nicht weiß) und Thérèse von Lisieux (nicht alt) – lehramtstreue Frauen, an denen man sich ein Beispiel nehmen kann.

Lektorin: Mk. 10,17-27
Sprecherin: Ausführung über (wenn ich mich recht erinnere) finanzielle Unredlichkeit und (jedenfalls) zu viel Prunk in der Kirche.
[These 6] Wir beten um eine Kirche, die nach christlichen Prinzipien wirtschaftet. Sie ist Verwalterin des ihr anvertrauten Vermögens, es gehört ihr nicht.

Gesätz: ... der die Kleinen und Machtlosen in den Mittelpunkt stellt.

Ich bin ganz dafür, finanzielle Unredlichkeit zu bekämpfen, und gerade in der Kirche ist sie ein besonderer Schandfleck. Allerdings halte ich sie nicht für besonders häufig. Jedenfalls wird in der Kirche weit häufiger nach christlichen Prinzipien gewirtschaftet als anderswo. Was den Prunk angeht, so hat er in Liturgie und Ausstattung der Kirchen einen Sinn. Er ist zu Gottes Ehre da und auch, weil Menschen Schönheit lieben und von ihr angelockt und erfreut werden. Gerade die „Kleinen und Machtlosen“, die daheim nicht viel Schönes ihr Eigen nennen, freuen sich an der Schönheit und Pracht von Liturgie und Kirche.

Lektorin: Lk. 24,1-12
Sprecherin: Leitete aus der Perikope um die Frauen am Grab und die ungläubigen Jünger ab, daß Frauen der Weg zum Priesteramt offenstehen müsse. 
[These 2] Wir beten um eine Kirche, in der alle teilhaben am Sendungsauftrag und in der Macht geteilt wird.

Gesätz: ... der mit uns eine geschwisterliche Kirche ersehnt.

Das Laienapostolat geht alle Getauften an. Darum braucht man nicht erst zu beten. Es gibt damit ein Laienpriesterum! Der priesterliche Dienst, das Amtspriestertum, ist hingegen hierzu berufenen Männern vorbehalten. Nochmals: Hier wird das in aller Ausführlichkeit erklärt.

Und Macht teilen? Ich dachte, es geht um Geschwisterlichkeit? Glaube, Liebe, Hoffnung, das möchte ich gerne mit allen Christen teilen. Aber Macht? Was soll ich damit – ausüben?

Faltblatt
Refr.: Mit dir, Maria, singen wir von Gottes Heil in unsrer Zeit;
uns trägt die Hoffnung, die du trugst: Es kommt der Tag, der uns befreit.
Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht: „Ich preise Gott, Magnifikat.
Himmel und Erd' hat Er gemacht, mein Gott, der mich erhoben hat.

Du weißt um Tränen, Kreuz und Leid, du weißt, was Menschen beugt und biegt. 
Doch du besingst den, der befreit, weißt, dass das Leben letztlich siegt.

Dein Jubel steckt auch heute an, österlich klingt er, Ton um Ton:
Großes hat Gott an dir getan, Großes wirkt unter uns dein Sohn.

Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht, pflanzt fort die Lebensmelodie:
Es kommt, der satt und fröhlich macht, der deinem Lied den Glanz verlieh.

Auch dieses Lied mag ich gerne, bis auf wenige stilistische Meckereien meinerseits, aber die sind wirklich kein Argument. Hier kann man es anhören.

Faltblatt

Gottes Segen komme zu uns,
dass wir stark sind in unserer schöpferischen Kraft,
dass wir mutig sind in unserem Recht. 
Gottes Segen komme zu uns, 
dass wir Nein sagen, wo es nötig ist,
dass wir Ja sagen, wo es gut ist.
Gottes Segen komme zu uns,
dass wir Weisheit suchen und finden, 
dass wir Klugheit zeigen und geben.
Gottes Segen komme zu uns,
dass wir die Wirklichkeit verändern,
dass wir das Lebendige fördern.
Dass wir Gottes Mitstreiter:innen sind auf Erden.

Dies Schlussgebet sprach der Seminarist. Den größten Teil davon kann ich mitbeten. Aber die Wirklichkeit will ich nur dort verändern, so gut ich kann, wo sie mit der Wahrheit und Güte im Widerspruch steht. Das ist ja zum Glück nicht überall so. Die Wirklichkeit des römisch-katholischen Kirchenrechts will ich nicht verändern. Im übrigen bin ich nicht Gottes Mitstreiterin, sondern Seine Magd.

Nach der anschließenden Messe (die richtig und schön zelebriert wurde und in der ich mich zu Hause und angenommen wusste) ging es zur Diskussionsrunde in den Pfarrsaal. Und da wurde es so, wie die Überschrift verheißt.

Wir saßen in einem großen Kreis: Zwölf insgesamt, davon neun Katholiken, drei Protestanten, drei Männer, sechs junge und sechs ältere Menschen, und, wie die Vorstellungsrunde zeigte, fünf oder sechs mit einem vollen Studium der katholischen Theologie (einer davon im Priesterseminar).

Die elf Personen, die nicht ich waren, waren sich ununterbrochen einig. Jede Äußerung, die nicht von mir kam, wurde von diesen elf mit Zustimmung bedacht.

Ich war die einzige, die die katholische Lehre vollständig annimmt und verteidigt. Alle anderen fanden Maria 2.0 gut, auch der Mann, der erst auf dieser Veranstaltung lernte, was das überhaupt ist. Die Frau, die ihm das erklärte, ließ es in ihrem Kurzvortrag so erscheinen, als sei es eine riesige Graswurzelbewegung, fast schon weltumspannend.

Der Seminarist äußerte, daß er den Mangel an Priesterinnen sehr ungerecht finde und daher überlege, ob er wirklich Priester werden wolle.

Aus mehreren Äußerungen ging hervor, daß weder Bibel noch katholische Theologie allgemein bekannt waren. Es wurde gefordert, die Kirche solle Schwule und Lesben nicht mehr ausschließen. Meine Bemerkung, aus dem Katechismus gehe hervor, daß sie das nicht tut, wurde mit mildem Spott bedacht, da sie ja nicht katholisch heiraten dürfen. (Ich sagte nicht, daß ich kein Pilot werden dürfe, weil alt, ahnungslos und epileptisch, dies aber keine Mißachtung alter, ahnungsloser und epileptischer Menschen sei.)

Auf die Frage, warum ich denn glaube, daß Frauen nicht Priesterinnen werden können, antwortete ich mit wenigen Argumenten (alle Argumente hätten den Rahmen der Veranstaltung gesprengt). Das für mich wichtigste war, daß der Priester in persona Christi handelt und Christus in Seiner Menschennatur ein Mann ist.

Hier einige Schnipsel der Diskussion.

Junge Frau (im Bemühen, Priesterinnen zu rechtfertigen): In der Bibel steht nichts über Jesu Geschlechtsteil.
ich: Bitte lesen Sie ihre Bibel. Jesu Beschneidung ist erwähnt.
Sie, leise: Jaja, er war ja Jude...

ältere Frau: Wenn Frauen sich berufen fühlen, wird ihre Berufung nicht einmal geprüft!
*empörtes Gemurmel*
ich: Mal angenommen, Sie haben recht und es gibt keinen Grund gegen Priesterinnen. Wäre es dann nicht sinnvoller, erst das Kirchenrecht zu ändern und dann Berufungen von Frauen zu prüfen statt umgekehrt?
junge Frau: Aber das ändern doch nur alte Männer, und die würden das eben nicht machen.
ich: Geben Sie ihnen Argumente. - So scheint es mir, als ob Sie den zweiten Schritt vor dem ersten machen wollen.
*Das wurde allgemein nicht verstanden.*

ältere Frau zu mir: Was machen Sie denn, wenn Sie was ändern wollen?
ich: Ich bete erstmal viel. Dann frage ich weisere Leute als ich es bin um ihre Einschätzung. Dann denke ich darüber nach und schreibe.
junge Frau: Sie können ja gern schreiben, aber was machen Sie?
*Hier wurde ich leider zum ersten Mal unfreundlich. Ich hatte mich als Schriftstellerin vorgestellt. Und ich bin leider nicht gefeit gegen Eitelkeit.*

Im letzten Viertel der Diskussionsrunde brachte eine ältere Frau mich leider wirklich in Rage, ich wurde ziemlich laut. Nicht gut, aber wenn von fünf bis sechs gelernten Theolog:innen (so schreibt man das wohl) nicht eine den Mund aufbekommt bei einem solchen Satz, bin ich derzeit am Ende mit meiner Geduld. Vielleicht gewährt Gott mir irgendwann mehr davon (Geduld, nicht derartige Gesprächspartner – obwohl, wer weiß…).

ältere Frau: Ich frage mich, ob ein Priester nur am Altar in persona Christi handelt oder auch wenn er hinterher in der Sakristei ein Kind mißbraucht.
ich, laut: Wollen Sie etwa eine Antwort?
sie: Ja.
ich, sehr laut: Sie tun gerade so, als ob alle Priester Täter wären. Damit verleumden Sie die meisten Priester.

Ich schaffte es, wieder einigermaßen ruhig zu werden. Aber derartige Insinuationen gehen wirklich sehr an meine Nerven. Nach der Runde sprach ich die Frau noch einmal an und sagte, mir sei es so vorgekommen, als wolle sie alle Priester pauschal beschuldigen, daß sie außer Messe feiern und Kinder mißbrauchen nichts täten. Sie rechtfertigte sich damit, daß sie nur über ihre eigenen Gefühle gesprochen hatte. Meine Frage, ob sie es gut fände, wenn ich behaupte, sie sei außerhalb von Diskussionsrunden immer kriminell, begriff sie nicht.

Aber vorher schlug der Seminarist noch vor, zum Abschluss solle jede und jeder ein „Samenkorn“ benennen, das sie oder er aus dieser Diskussion mitnehme. Die meisten Samenkörner beinhalteten, daß man hoffe, die Kirche werde sich im Sinne von Maria 2.0 ändern. Der junge Mann, der heute zum ersten Mal von dieser Bewegung gehört hatte, meinte, er habe dafür keine Hoffnung und rate eher, zu den Altkatholiken oder anderen Konfessionen abzuwandern. Das fand ich sehr vernünftig.

Ich sagte, ich habe eigentlich gehofft, ein Samenkorn wie die Akelei zu sein, die ist schön und ein Mariensymbol. Jetzt aber hoffe ich nur noch, ein Giersch-Samenkorn zu sein, hartnäckiges Unkraut mit langen Wurzeln. Keiner verzog eine Miene.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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6 Antworten zu Andacht, Messe, Diskussionsrunde. Oder: Reporterin in Feindesland.

  1. Rita Carola Repplinger schreibt:

    Dies ist ähnlich wie in der Politik die fatale Art, Änderungen im Sinne der Protagonisten in intriganter Vermischung mit Altbewährten unters politisch bzw. theologisch nicht durchblickende Volk zu bringen. Es erinnert mich an „fridays for future“ und die Grünen, die mit ihrem Alleinanspruch das Klima retten zu wollen, alles andere u.v. die politisch ( hier theologisch) nicht durchblickende Masse auf ihre Seite ziehen. Natürlich ist jeder gegen Missbrauch, natürlich wollen alle Würde für die Frau usw., doch nicht in diesem antirömischen Gesamtpaket bei Abschaffung des Priestertums usw. Die sog. “ Wir sind Kirche“ Bewegung und das sog.“ Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ macht das ja genauso! Ich fühle mich von all diesen Vereinen nicht vertreten, sehe aber dass nicht genügend Gegenwehr im Lande da ist, da genauso wie in der Politik ( ohne den Glauben gleichsetzen zu wollen, nur die momentanen Mechanismen) die Medien heftig mitmischen. Man schaue sich doch die tendenziöse Nachrichtenberichterstattung an! Was der kleinen Herde von aufrechten durchblickenden Katholiken noch bleibt, scheint der allleinige Rückzug ins Gebet? Der Christ der Zukunft muss ein Mystiker sein oder er wird gar nicht mehr sein, schrieb schon Karl Rahner weitsichtig.

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  2. akinom schreibt:

    Logisch katholisch sind die Maria-Updaterinnen nicht. Ich bewundere den Mut der Bloggerin bei ihrem Auftreten in „der Höhle der Löwinnen“. Auch den Kommentar von Rita Carola Repplinger kann ich unterschreiben. Die Wahrheit ist sehr selten bei der Mehrheit anzutreffen. Im Rosenkranzgebet verbunden

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  3. Bettina Klix schreibt:

    Liebe Claudia, von Herzen Dank für Deine „Ermittlungen“, Deine Präsenz, Deine Genauigkeit und Dein Eintreten für unseren schönen katholischen Glauben, für unseren Herrn, die Lehre und nicht zuletzt: die Gottesmutter. Dass in diesem Sinne in der eigenen Gemeinde das Feindesland beginnt, ist erschütternd!
    Gott stärke Dich und segne Dich!
    Bettina

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