Autogenes Training im Wettkampfmodus – Josef Bordats Satiren

Fleißige Leser von Josef Bordats Blog werden viele der Satiren wiedererkennen. Aber zum einen schadet es nichts, wirklich gute Satiren mehrmals zu lesen, zum anderen gibt es ja auch immer noch Menschen, die keine Blogs lesen, und schließlich ist es äußerst cool, ein Buch mit dem Konterfei eines Philosophen in der Hand zu halten und beim Lesen still zu lächeln und manchmal zurückhaltend aufzulachen. Glauben Sie mir: In den Öffentlichen zieht man damit die Blicke auf sich, auch wenn man sonst optisch nicht viel hermacht. Ich weiß es.

Autogenes Training im Wettkampfmodus. Satiren heißt ein hochkomisches Buch mit ernstem Unterton des katholischen Philosophen und Bloggers Josef Bordat, erschienen im schweizerischen Alverna-Verlag. Wegen des titelgebenden Textes empfehle ich Therapeuten, dies Buch nur zu kaufen, wenn sie wirklich Humor haben, also auch dann, wenn es um sie selbst geht.

In vierzehn Kapiteln über Wissenschaft, Terror, Fußball, Religion, das Finanzamt und andere belachens- und beweinenswerte Dinge schreibt Josef Bordat in prosaischer, dramatischer und zuweilen lyrischer Form, manchmal auch in aphoristischer Kürze und immer mit Geist und Witz. Das Fußball-Kapitel werden Fußballfans vermutlich mit mehr Sachverstand lesen als ich, aber zwei Abschnitte daraus sind auch Menschen wie mir (Wissensstand: Es geht darum, einen Ball in ein Tor zu bringen, und zwar ohne die Hände zu benutzen) völlig zugänglich, nämlich des Autoren verzweifelter Versuch, seiner Frau zu erklären, wie beim Europapokal die Tore berechnet werden und warum („Europapokalarithmetik“), und welche Mittel notwendig sind, um an ein seltenes Sammelbild für den kleinen Verwandten zu kommen („Träsch, Christian“).

Die innig geliebte Nichte auf der anderen Seite der Erde kann nicht einsehen, daß da, wo ihr Onkel ist, gerade Nacht ist, daß das ziemlich weit weg ist und daß es nicht zu ändern ist. Wie der Onkel vollkommen scheitert, ihr dies auf pädagogisch wertvolle Art beizubringen und möglichst bald schlafen zu gehen, liest sich hochkomisch – und zugleich nicht ohne Tiefe. Ein kleines Kind im Gespräch mit einem Philosophen: Man ahnt, das ist ein großes Thema.

Ein harter Kontrast zu diesem freundlichen Einstieg in das Kapitel „Blut und Bande. Über familiäre Angelegenheiten“ folgt unmittelbar mit zwei Abschnitten über Leihmutterschaft und in-vitro-Fertilisation – dem Monolog eines Leihmuttervermittlers und der Rezension zweier fiktiver Kinderbücher (oder sagen wir mal, ich hoffe irgendwie immer noch, daß sie fiktiv sind). Diese beiden Texte sind die härtesten im ganzen Buch – die Normalisierung der Menschenmacherei ist ganz und gar nicht komisch, aber, wie Bordat beweist, dennoch satirefähig.

Und was für ein Computerspiel schenkt der Philosoph seinem Neffen zu Weihnachten? Ganz ehrlich – so gut wie das, was Bordat da erdacht hat, sind Computerspiele eigentlich meistens nicht. „Da musst Du gucken, dass Du bei einer Gemeinschaftsarbeit als Autor genannt wirst. Je mehr Kollegen Du erschießt, desto weiter rückst Du nach oben!“ Ich würde es mir sofort kaufen.

Soziologensprech, Spammails und Neohumanismus bekommen gleichermaßen ihr Fett weg, und das mit Recht und Witz. Die niederrheinische Heimat des Autors (Hömma, wie is dat mit der niederrheinischen Heimat des Autors?) wird in einer absurden Sprachminiatur dargestellt. Die denglische Sprachverhunzung wird knapp und komisch auf die Schippe genommen: „So war ich im Facility Management als Junior Assistant tätig, also, ich hab dem Hausmeister sein Bier gebracht…“

Sehr lustig ist auch „Geheimnisvolles Peru“, wo es um eine Exegese der Sprache geht: „„Ahora“ … heißt eigentlich „jetzt“, „gleich“, „umgehend“, meint aber: „In drei Stunden“. Wenn bis dahin nichts dazwischen kommt. In der Regel kommt etwas dazwischen. Im interpretierten Wörterbuch findet sich hier ein Querverweis auf „planificar“ (eigentlich „planen“, wirklich: „sich nachträglich eine Begründung ausdenken, warum man spontan etwas völlig anderes macht als vorgesehen“).“

Mein Favorit unter Bordats Satiren findet sich im Kapitel „Bildungsmisere. Über lebenslanges Lernen. Und wie man trotzdem zum Arbeiten kommt“, ist viereinhalb Seiten lang und heißt „Wie man Bildungsdefizite ausgleicht“. Hier geht es gleich um mehrere Dinge, die ich mit dem Autor teile: die Überzeugung, von den meisten Leuten für weit gebildeter gehalten zu werden, als ich tatsächlich bin (ich bin es ja kaum), die Peinlichkeit, die es verursacht, arrivierten Altphilologen gegenüberzusitzen, und der stille Triumph, wenn nicht mal diese meinen (oder halt Bordats) Namen richtig aussprechen können. Wie man hier Bildung von der gleichen Art wie die des Gegenübers vortäuschen kann, beschreibt Josef Bordat (ich schreibe seinen Namen richtig!) anschaulich, ich verrate es aber nicht, Sie sollen das Buch ja kaufen. Nur so viel: Der Trick ist ebenso einfach wie genial.

Josef Bordat: Autogenes Training im Wettkampfmodus. Satiren. Alverna Verlag 2018, 252 S.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
Dieser Beitrag wurde unter KATHOLONIEN, LITERATUR, WELTLICHES abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Autogenes Training im Wettkampfmodus – Josef Bordats Satiren

  1. Gorgasal schreibt:

    Danke für den Hinweis – schon bestellt. Ist ja auch „Nazi-Humor vom Feinsten!“, zumindest nach Aussage des Autors, https://jobosblog.wordpress.com/2018/09/06/ich-gebs-ja-zu-ich-bin-nazi/. Und der muss es ja wissen.

    Gefällt 1 Person

Kommentare sind geschlossen.