Johannes 8,1-11

Wir hören von einer Ehebrecherin, die in flagranti ertappt wurde. Der beteiligte Mann kommt nicht vor, die Gesellschaft scheint ihm gegenüber recht nachsichtig zu sein (da hat sich in den letzten zweitausend Jahren nicht übermäßig viel geändert).
Jesus äußert sich zunächst nicht, sondern schreibt etwas in den Sand.
Bei Jeremias 17,13 lesen wir: „Du Hoffnung Israels, HERR! / Alle, die Dich verlassen, werden zuschanden. Die sich von Mir abwenden, / werden in den Staub geschrieben, denn sie haben den HERRN verlassen, / den Quell lebendigen Wassers.“
Wir können davon ausgehen,  daß die Frommen,  die die Ehebrecherin nach dem Gesetz  steinigen wollten, diese Worte kannten und sie auf diese Frau münzten. Sie hatte ja gegen das Gebot verstoßen und sich damit von Gott abgewandt!
Aber als Jesus spricht, redet Er von der Abwendung der anderen. Nur wer selber nie gesündigt hat, hat das Recht, einen Stein zu werfen! Nur wessen Name bestimmt niemals in den Sand geschrieben wurde!
Die Älteren verstehen das sofort. Sie wissen, wie oft Gott ihnen schon verziehen hat. Die Jüngeren begreifen es auch.
Ganz zuletzt wendet Er sich an die Frau.  Er, der einzige,  der sie nach Seinen eigenen Worten verurteilen könnte,  tut es nicht. Ja, Er sagt: Sündige nicht mehr. Er verurteilt damit die Tat  – aber nicht die Frau.
Die Sünde hassen,  den Sünder lieben  – das ist ein guter katholischer Grundsatz.

Avatar von Unbekannt

About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
Dieser Beitrag wurde unter KATHOLONIEN abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Responses to Johannes 8,1-11

  1. Avatar von Herr S. Herr S. sagt:

    Ich hatte vor einigen Jahren einen Disput mit einem Theologen wegen des sekundären Charakters der Perikope vom Herrn und der Ehebrecherin.
    Der Bericht steht nicht in der Urfassung des Johannesevangeliums und wurde erst später dort mit eingefügt, was aber meiner Meinung nach der Wahrhaftigkeit, dass sich diese Begegnung wirklich so ereignete, wie sie uns überliefert ist, keinen Abbruch tut.
    Auf den sekundären Charakter des Textes hinzuweisen, wird sowohl von der Einheitsübersetzung (1980) als auch von der Bibelausgabe nach Hamp/Stenzel/Kürzinger (1966) erfüllt.
    So sind waren die Ausführungen des betr. Theologen also diesbezüglich nichts wesentlich Neues.

    Ich selbst lese und rezipiere die Erzählung vom Herrn und der Ehebrecherin in einer Hermeneutik des Vertrauens auf die Echtheit des Berichtes:

    Was ist die Quintessenz der Perikope?

    Jesus Christus setzt hier die nach dem jüdischen Thorarecht auf Ehebruch stehende Todesstrafe aus; hebt sie de facto auf.

    Allerdings eben nicht nach dem Motto „Schwamm drüber – vergeben und vergessen“, wie der oberflächliche Betrachter vielleicht fälschlich meinen könnte.

    Das Herrenwort „Geh hin und sündige nicht mehr“ ist in der damaligen Zeit und Gesellschaft ein keineswegs leichter Weg für die ertappte und öffentlich bloßgestellte Ehebrecherin:

    Sie dürfte gesellschaftlich geächtet und erledigt sein. Es ist anzunehmen, dass der Ehemann sie verstoßen hat. So ist sie wahrscheinlich auf sich allein gestellt gewesen, denn auch die eigene Familie wird sich wohl wegen des Gesellschaftsdrucks kaum zur ihr bekannt haben.
    Keine schöne Perspektive für diese Frau…

    Wie mag es wohl mit ihr weitergegangen sein?

    In diesem Zusammenhang stellte ich mir die Frage, wie es dazu kam, dass diese Erzählung gerade in der uns überlieferten Form zuerst mündlich weitergegeben und schließlich aufgeschrieben und in die Evangelien aufgenommen wurde:

    Es wird in der Perikope ja am Ende berichtet, dass nur noch der Herr und die Frau alleine da standen, weil alle anderen weggegangen waren.

    Wer hat dann den letzten Dialog zwischen Jesus und der Ehebrecherin weitergegeben?

    Der Herr selbst wohl kaum.
    Dass Jünger als Zeugen dabei waren, ist zwar möglich aber für mich eher unwahrscheinlich, gerade weil diese Geschichte erst verhältnismäßig spät
    in die Evangelien aufgenommen wurde, wie der mit mir diskutierende Theologe ja in seiner umfangreichen Ausführung dargelegt hatte.

    Bleibt also die betroffene Frau selbst.
    Das gerade halte ich aus den folgenden Überlegungen für durchaus wahrscheinlich und plausibel:

    Ich hatte oben die an sich schlechte, ja ziemlich trostlose, zukünftige Lebensperspektive der sündigen und öffentlich gebrandmarkten Frau dargelegt.

    Allerdings hatte sie die Barmherzigkeit des Herrn an sich erfahren – und zwar buchstäblich in höchster Todesnot.

    Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie sich spätestens jetzt mit dem Wirken und der Botschaft Jesu an die Menschen beschäftigt hat.

    Sie wird dabei darauf gestoßen sein, dass er gerade auch zu den Sündern sprach und ihnen Vergebung und Rettung verhieß und es nicht nur bei Worten beließ, sondern auch direkten Umgang mit reuigen Sündern pflegte – sogar mit ihnen öffentlich aß und trank.
    Und das zum Ärger der Rechtgläubigen, den er in Kauf nahm.
    Auch wird die Frau von den gewirkten spektakulären Wundern Jesu Kenntnis bekommen haben.

    Wenn sie sich nicht schon zu seinen irdischen Lebzeiten seiner Jüngerschaft so wie andere Frauen, z.B. Maria Magdalena, zugesellte, so ist es durchaus wahrscheinlich, dass sie nach Jesu Tod und Auferstehung zu den ersten Christen der Urgemeinde stieß und sich ihnen anschloss.
    Denn dort unter – nicht nur aber auch – ehemaligen öffentlichen Sündern und Parias war sie gewiss keine solche Unperson wie unter den gläubigen rechtschaffenen Juden.

    Es ist ferner durchaus anzunehmen, dass sie in diesem neuen toleranteren und sogar zumindest teilweise empathischen Umfeld den Mut fand, ihre persönliche Begegnung mit dem Herrn detailliert zu erzählen, quasi als Zeugnis und Bekenntnis zu ihm.

    Da sie aber nicht „nur“ eine Frau sondern zudem eine bei einer schweren, ja todeswürdigen, Sünde ertappte Frau war, mag es durchaus plausibel sein, dass es lange dauerte, bis diese ihre Geschichte auch aufgeschrieben wurde.

    Noch länger mag es aus eben diesen genannten Gründen dann noch gedauert haben, bis dieser Bericht dann in die schriftlichen Evangelien aufgenommen wurde.

    Das sind sicher nur Spekulationen meinerseits, ich kann sie aber nach den mir vorliegenden Kenntnissen – zumindest nach meiner Auffassung – schlüssiger begründen, als wenn ich annehme, irgendein Textkopist habe in späteren Jahrhunderten hiermit nur eine fromme Legende mehr um den Herrn den Evangelien hinzugefügt, wie es mein seinerzeitiger Disputpartner zwar nicht explizit zugab aber doch wohl für möglich erachtete.

    Gefällt 1 Person

  2. Avatar von Herr S. Herr S. sagt:

    Danke für Ihr positives Urteil.

    Bezeichnenderweise waren weder der gen. Theologe noch ein weiterer theologisch „ge- bzw. ver-bildeter“ Diskutant von meinen Überlegungen angetan.

    Beide äußerten Zweifel über Zweifel an meinen – zugegeben spekulativen – Überlegungen und versuchten, mich mit ihrer angeblichen Fachkompetenz und einigen angeführten Bibelstellen und eigenen Alternativ-Überlegungen von ihrer Sicht zu überzeugen. Dabei waren auch deren Überlegungen nicht weniger spekulativ und überzeugten mich eben nicht – was ich Ihnen auch darlegte. Alles in allem seinerzeit sehr unergiebige Diskussionen.

    Gefällt 1 Person

Kommentare sind geschlossen.