Ein Fisch und eine Doppeldrachme

Mt 17,22-27

In jener Zeit, als Jesus und seine Jünger in Galiläa zusammen waren, sagte Jesus zu ihnen: „Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert werden und sie werden Ihn töten; aber am dritten Tag wird Er auferweckt werden.“ Da wurden sie sehr traurig.

Als Jesus und die Jünger nach Kafarnaum kamen, traten jene, welche die Doppeldrachme einzogen, zu Petrus und fragten: „Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht?“ Er antwortete: „Doch!“ Als er dann ins Haus hineinging, kam ihm Jesus mit der Frage zuvor: „Was meinst du, Simon,
von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten?“ Als Petrus antwortete: „Von den anderen!“, sagte Jesus zu ihm: „Also sind die Söhne frei. Damit wir aber bei ihnen keinen Anstoß erregen, geh an den See, wirf die Angel aus und den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib ihnen als Steuer für Mich und für dich.“

Das heutige Evangelium wird von vielen Exegeten für die Adaption einer griechischen Sage gehalten, eine Neufassung vom Ring des Polykrates, erdacht, um den Hellenen die Frohbotschaft nahezubringen.
Aber die Aussage dieses Evangeliums ist völlig entgegengesetzt zur Sage von Polykrates. In der griechischen Sage nämlich wird der scheinbar glückliche Fischfang (im Magen des Fisches ist der Lieblingsring des Polykrates,  den dieser Tags zuvor geopfert hat) als Auftakt zu großem Unglück gesehen, weil er den Neid der olympischen Götter erregt. Im Evangelium ist der Subtext: Jesus hat das für die Tempelsteuer nötige Geld nicht bei sich – Er braucht es nicht. Er ist der Sohn des Herrn,  Ihm gehört der Tempel und alles andere. Aber ein Wunder – übrigens das einzige mit detaillierter Ankündigung – bringt die Doppeldrachme; der Herr zahlt die Tempelsteuer ebenso, wie Er später die ganze Schuld der Menschheit zahlt, nicht weil er das muss, sondern aus freiem Willen.
Ob dies Wunder tatsächlich genau so geschehen ist,  weiß ich nicht.  Aber die Geschichte für einen Trick zu halten, um Hellenen zu ködern, oder für einen lahmen Aufguss der Polykrates-Sage, wird weder Jesus noch Matthäus noch Petrus noch den Hellenen gerecht und ist bildungsbürgerlicher Unfug.

Jesus ist durchaus imstande, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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