Richtet nicht… oder doch?

Richtet nicht,  auf daß ihr nicht gerichtet werdet!

Dies Wort Jesu wird oft ausgerechnet dazu benutzt,  Kritiker mundtot zu machen.  Jemand sagt, daß und warum er Wort und Handlung eines anderen falsch findet, und schon kommt in besserwisserischer Frömmelei: Richte nicht!

Der Herr hat aber nicht gesagt „Lasst alles gleich gelten, erlaubt euch nicht die mindeste Urteilskraft“ – im Gegenteil,  wir sollen wachsam sein, klug, Zeichen der Zeit erkennen. Wir brauchen die Urteilskraft ja schon für einfache Entscheidungen, die nur uns selbst angehen. Was ich in meiner Wohnung wünsche oder zulasse, tue oder lasse, sollte weit mehr mit Urteilskraft als mit Zufall zu tun haben.

Wenn wir wahrnehmen,  daß jemand etwas sagt oder tut, das ihn oder andere erheblich schädigt, oder wenn die Lehre Jesu verfälscht wird (was mit Sicherheit schädlich ist!), sollten wir nicht stumm bleiben.  Natürlich sollen wir niemanden ohne Not bloßstellen.  Aber ihn zur Rede stellen,  unter vier Augen und nötigenfalls auch vor Zeugen, wie Paulus erklärt, das ist angebracht.

Richten wir da nicht?
Nein.  Etwas beurteilen,  sich begründet ein Urteil erlauben, ist etwas anderes als jemanden zu verurteilen. Eine Tat verabscheuen ist etwas anderes als den Täter verabscheuen.

Wenn wir Jesus durch Sein Wort und Sakrament immer besser kennenlernen,  schärfen wir dadurch auch unsere Urteilskraft.  Dann können wir uns selbst und unsere Kritikwürdigkeit immer besser erkennen, bekommen eine klarere Sicht und werden besser darin, Kritik zu ertragen und nötige Kritik an anderen so zu äußern,  daß sie deutlich ist, ohne vernichtend zu sein.

Dann können wir beurteilen, ohne gnadenlos zu verurteilen, und richtigstellen,  ohne unbarmherzig zu richten.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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1 Response to Richtet nicht… oder doch?

  1. Avatar von akinom akinom sagt:

    Mich beeindruckt immer wieder die Tatsache, dass Gott Liebe ist im Gegensatz zu Allah, der als strafender und verurteilender Gott verehrt wird.

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