Lebensschutz darf nicht sentimental sein!

Mal angenommen,  Ihr findet eine hilflose Person auf. Erste Hilfe ist unbedingt vonnöten.  Richtet Ihr Euch dann danach, wie hübsch oder niedlich oder liebenswert die Person ist? Ich hoffe das nicht.

Genauso wenig darf es beim Schutz der Schwächsten – der Ungeborenen, der Behinderten, der Kranken, der Alten – um Sympathie oder Niedlichkeit gehen.

Das wird auch den zu Schützenden nicht gerecht,  selbst wenn sie niedlich und sympathisch sind. Ein Kind mit Downsyndrom ist auch in Trotzphase mit Rotznase unbedingt schützenswert. Menschen mit ganz und gar nicht hübschen und niedlichen Körpern haben genau dieselbe immanente unzerstörbare Menschenwürde und das damit zusammenhängende Lebensrecht wie die Niedlichen und Lieben.

Immer wieder wird mit herzigen Bildern von Down-Syndrom-Kindern gesagt, wie liebevoll und wunderbar diese Menschen sind, und dass sie uns helfen, versöhnlich und liebevoll miteinander umzugehen,  dass wir von ihnen das Verzeihen lernen können usw. Das ist gut gemeint,  schlecht getan.

Mit solchen lieben Artikelchen werden Behinderte verzweckt. „Liebt sie, denn sie machen die Welt besser“ heißt im Grunde: Wenn sie die Welt nicht deutlich besser machen würden, müsste man sie nicht lieben.

Es wird in diesen Artikeln auch verschwiegen, mit welchen Problemen Down-Syndrom-Menschen zu kämpfen haben. Herzfehler, Darmverschluss, kognitive Schwierigkeiten, geringe Lebenserwartung gehören zu den häufigeren Symptomen.

Einige Symptome kann man gut behandeln. Und natürlich können schwere Symptome auftreten, müssen aber nicht. Es gibt milde Formen der Trisomie, die ihre Träger an gar nichts hindern, und schwere, deren Träger niemals selbstständig leben können – und alles dazwischen.  Und natürlich ist jeder einzelne Mensch,  ob mit oder ohne Trisomie, mit Lebensrecht und Menschenwürde begabt.

Es ist und bleibt wichtig,  auf die unbedingte Würde und das unbedingte Lebensrecht jedes Menschen hinzuweisen.  Es ist aber meiner Ansicht nach nicht nur falsch, sondern irreführend,  wenn man hierzu ausschließlich auf die Gefühlsebene abzielt. Ein Mensch ist nicht lebenswert, weil er lieb und süß ist,  sondern weil er Mensch ist. Und Schwangeren, die ein Trisomiekind erwarten, ist durch ein bonbonrosa „Alles wird wundervoll“ nicht geholfen, vielmehr durch Aufklärung und Zeigen aller möglichen Hilfsangebote.

Dass man dabei trotzdem auch mit Freude und einem Stück Sentimentalität auf ein niedliches Baby gucken kann und soll, ist klar. Aber es darf niemals bei dem geführten Blick bleiben. Lebensschutz beinhaltet auch den sachlichen Blick des Arztes. Und wenn das Kind nicht Trisomie hat, sondern eine schwer entstellende Behinderung oder Krankheit, wenn „oh wie süß“ keinem über die Lippen geht, mindert das seinen Wert nicht im Geringsten.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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