Wenn die Heiligen einmarschieren

Seit Wochen regen sich Anhänger aller möglichen christlichen Denominationen auf, weil heute Abend spukhaft verkleidete Kinder einem Heischebrauch huldigen.

Ich habe keinen Bedarf,  mich darüber aufzuregen. Kinder, die einmal im Jahr so tun, als wären sie gefährliche Geister,  die man mit Süßigkeiten beschwichtigen muss, machen mir keine Angst. Die Kleinen wissen in der Regel sehr gut, dass man nichts Böses tun soll. Heute nehmen sie sich heraus, Zahncreme auf Türklinken zu drücken oder ähnlich Entsetzliches zu vollbringen.

Nerviger finde ich im Zusammenhang mit Halloween,  All Hallows‘ Even, Vorabend zu Allerheiligen den Murks, der über die Entstehung von Gruselfest und Heischebrauch einerseits und vom kirchlichen Fest Allerheiligen andererseits erzählt wird.

Keltische Wurzeln! Samhain! Finsterer Aberglaube der Römlinge! Na und so weiter.

Über die kultischen Bräuche einer längst untergegangenen Kultur mit wenigen kurzen Schriftzeugnissen wissen wir so gut wie nichts aus erster Hand und wenig durch die Überlieferung griechischer und römischer Autoren, deren Haupinteresse nicht sachliche Information war. Im 19. Jahrhundert wurden die keltischen und germanischen Bräuche in der romantisch gefärbten Rezeption lateinischer Autoren modern, und zwar regelmäßig mit einem kirchenfeindlichen Unterton („Seht her, die Kirche hat heidnische Bräuche übernommen“). Dieser Kulturkampf überdauerte die Nazis (die solche unwissenschaftlichen Behauptungen begeistert aufnahmen) und dauert an. Die ungezählten „alten keltischen Bräuche“ zu Samhain sind Erfindungen der Romantik.

Die irische Sage von Jack o’Lantern, dem geizigen, trunksüchtigen Schmied, der den Teufel überlistete, ist wohl der wesentliche Bestandteil des säkularen Halloween. Die älteste Niederschrift stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert, der Kern der Sage möglicherweise aus dem 17. Jahrhundert. Die schaurige Ausschmückung entwickelte sich im 19. Jahrhundert in Amerika bei irischen Auswanderern.

Es gibt Möglichkeiten, mit bösen Mächten Kontakt aufzunehmen (und ich werde mich hüten, diese in Anspruch zu nehmen). Bettelnden Kindern Süßkram zu geben gehört nicht dazu.

Ich werde heute Abend beginnen,  Allerheiligen zu feiern (Hochfeste beginnen mit dem Vorabend). Alle Heiligen, bekannte und unbekannte, sind mir willkommen. Mit Gottes und der Heiligen Segen verschenke ich auch Süßigkeiten. Und wenn keine Kinder kommen, werden die Sachen auch nicht schlecht.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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2 Responses to Wenn die Heiligen einmarschieren

  1. Avatar von Herr S. Herr S. sagt:

    Als ganz so harmlos kann ich manche Halloween-Streiche nicht empfinden.

    Bei uns wurden von einer Gruppe Jugendlicher öffentliche und private Gebäude mehrere Jahre hintereinander mit rohen Eiern beworfen. Das Eigelb von den Oberflächen zu entfernen ist zumal bei herbstlich-kaltem Wetter kein Vergnügen.

    Ein betroffener Nachbar und ich gingen dann vor 10 Jahren privat Streife und stellten eine Gruppe ca. 14jähriger Mädchen auf frischer Tat. Die Konfrontation mit dem Geschen, einer klaren Sachbeschädigung und die Drohung einer Anzeige bei der Polizei haben gottlob nachhaltig gewirkt – wir hatten seitdem Ruhe und auch anderswo in unserer Kleinstadt wurde dieser Unfug seitdem eingestellt und Nichtwissen aufgenommen.

    Wehren den Anfängen!

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