Geschwister und andere Schwierige

Lk 15,1-3.11-32

Der große Bruder ist beleidigt. Da kommt der kleine Taugenichts wieder angekrochen, und der Vater beschenkt ihn und richtet ihm eine Party aus.
Der Vater erklärt.  Aber wie der große Bruder reagiert, wissen wir nicht.

Mir fallen drei Möglichkeiten ein.
Vielleicht macht der Große gute Miene zum bösen Spiel,  wie er es nennt.  Er feiert mit, gibt seinem Bruder etwas hölzern die Hand,  aber innerlich grummelt er weiter. Er lässt den Jüngeren noch eine ganze Weile spüren,  was er von seinem unmöglichen Verhalten hält. Mit der Zeit glätten sich die Wogen,  aber eine herzliche Geschwisterliebe wird nicht mehr daraus.
Oder er setzt sich später,  vielleicht lange nach dem Fest,  mit seinem Bruder zusammen, schüttet ihm sein Herz aus, sagt ihm, wie verletzt er sich fühlt. Das wäre eine Chance zur Versöhnung, auch wenn sie vielleicht noch Zeit braucht.
Oder er begreift sofort, was sein Vater erklärt hat, läuft auf seinen Bruder zu, gibt ihm vielleicht einen wohlmeinenden Klaps, umarmt ihn – und dann erzählen die beiden einander, was sie erlebt haben,  und hören einander zu.

Wir haben immer mehrere Möglichkeiten,  auf Gottes Ruf und auf den schwierigen Nächsten zu reagieren.  Es kann nicht immer zwischen allen zur innigen Freundschaft kommen, das zu erwarten wäre naiv. Aber sich mitfreuen, wenn ein Mensch mit Gott versöhnt ist, und die eigene Vortrefflichkeit nicht ganz so ernst nehmen,  das ist schon ein guter Anfang für den Umgang mit Menschen.  Auch, aber nicht nur, in der Familie.

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About Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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