
Luce, das Maskottchen zum katholischen Jubeljahr 2025, erregt die Gemüter, besonders bei sich traditionsbewusst gebenden Katholiken. Schauen wir mal, warum eigentlich.
Ich sehe das Maskottchen als ein Mädchen, vielleicht ist es auch ein Junge, und da fängt der Zank an. Zu Hilfe, es ist nicht eindeutig! – Na und? Das italienische Wort luce (Licht) ist weiblich. Luce ist jedenfalls ein junger Mensch, und bei vielen jungen Menschen (und manchen älteren) sieht man den Unterschied nicht so genau, solange sie sittsam gekleidet sind. Dies ewige „Man kann ja die Geschlechter nicht mehr voneinander unterscheiden, und in meiner Jugend…“ geht mir nicht nur auf die Nerven, es erinnert mich auch an die grässlichen alten Weiber, die mich einst verspotteten, weil ich als Zehn-, Elfjährige „wie ein Junge“ wirkte (was ich mir nicht ausgesucht hatte).
Luce ist von Kopf bis Fuß mit katholischer Symbolik ausgestattet. Zuerst: Der Pilgerstab und die in den Augen gespiegelten Jakobsmuscheln weisen sie als Pilger aus, als Mitglied des pilgenden Volkes Gottes. Gelb-Weiß ist die vatikanische Flagge, gelb ist Luces Regenmantel (und er ist auch ein Hinweis darauf, dass sie bei jedem Wetter unterwegs ist). Das Bild auf dem Mantel zeigt vier Pilger, die über Wellen gehen und sich dabei an einem Kreuz festhalten, das in einen Anker ausläuft. Hoffnungsgrün sind die Stiefel und mit Schlamm befleckt, weil Luce sich nicht zu schade ist, unbefestigte Wege zu gehen. Um den Hals trägt sie den mehrfarbigen Rosenkranz der Weltmission (in dieser Farbgebung von Bischof Fulton Sheen entworfen). Ihr Haar ist blau – das hat einerseits etwas Punkiges, andererseits wird Blau in der Kirche auch mit Maria assoziiert. Marianisch und unangepasst!
Luce ist für besagte „Traditionsbewusste“ ein Unding, kitschig, hässlich, häretisch, dumm usw. Dass junge Leute, die mehr Zugang als ich zur Anime-Ästhetik haben, durch Luce-Comics und Luce-Figuren einen Zugang zu all dem finden können, was sie repräsentiert – geschenkt, sie ist halt nicht die höchste Kunst und also bäh. Oder?
Dass gar behauptet wird, der Rosenkranz zeige die Regenbogenfarben und sei damit unmittelbar mit der LGTB-Bewegung verbunden, ist zwiefach dumm. Erstens: Wie oben gesagt, handelt es sich um den Rosenkranz der Weltmission in den Farben Gelb, Rot, Weiß, Blau, Grün. Zweitens: Selbst wenn er alle Regenbogenfarben hätte und sonst keine, wäre das allenfalls ein Hinweis auf Gen. 9,12-17.
Luce ist künstlerisch nicht meins. Aber Anime ist eine Kunstform, und zu behaupten, es sei keine Kunst, ist hochmütig. Kunst, die mir nicht gefällt, hört deshalb nicht auf, Kunst zu sein. Es gibt übrigens im kirchlichen Umfeld eine ganze Menge Kunst, die mir nicht gefällt. Wenn ich beispielsweise sage, was ich von zahlreichen Werken der Nazarener im 19. Jh. halte, bekomme ich Haue von den katholischen Getreuen, die eben diese Werke schätzen. Da dürfen sich genau jene, die Luce verdammen, als große Kunstkenner aufführen, die wissen, was Kunst ist und was nicht und dass man die Bilder in der Rosenkranzbasilika lieben muss, die Meistermann-Fenster des Paulusdoms zu Münster aber nicht, und wenn es bei mir genau umgekehrt ist, bin ich keine gute Christin. (Ich übertreibe nicht, ich hab’s erlebt.) Kulturkatholizismus hat immer eine Tendenz, zu bestimmen, was guter Geschmack, was Kunst ist und was nicht.
Die Kunststile der Kirche – von der Spätantike bis heute – sind vielfältig, und niemand muss alles mögen. Während ich diesen Artikel schreibe, gibt es in der Weltkirche mehr Kunstrichtungen, als ich aufführen kann, und mir gefallen keineswegs alle. Aber es ist Anmaßung, den eigenen Geschmack zum Maß aller Dinge und vor allem zum Maß des rechten Glaubens zu machen.
Übrigens, wenn es darauf ankommt, kann ich auch Namen nennen. Wenn mir Kulturkatholiken erzählen, wie völlig kunstlos und grässlich die Kirche heute ist, mache ich das. Georg Meistermann, Bert Gerresheim, Sieger Köder, Nikola Saric, Michael Triegel, Gerhard van der Grinten, Arcabas, um nur einige zu nennen. Ein Problem unserer Zeit ist nicht der Mangel an hochkarätigen Künstlern, es ist der Unwille, sie zur Kenntnis zu nehmen.
Abgesehen davon haben doch die Luce-Kritiker als junge Leute sicher auch mal Klebebildchen getauscht? Pixie-Bücher angeschaut? Oder Comics gelesen? Oder sind die alle mit fertigem, gehoben-bürgerlichem Geschmack auf die Welt gekommen und hatten Bilderbücher voll Tizian und Rembrandt?
Sie merken schon, werter Leser: Um „die moderne christliche Kunst“ zu beurteilen, braucht man ein bißchen Zeit, ein bißchen Lust, sie überhaupt wahrzunehmen. Das kann z.B. in einer Kirche gelingen, wenn man z.B. einfach mal zum Beten hineingeht und dann feststellt, dass da auch richtig gute Kunst ist – die einem eventuell beim Beten hilft, was christliche Kunst ja soll. Vielleicht hat man Zugang dazu, vielleicht nicht, vielleicht später. Aber einfach zu sagen „Es gibt keine gute moderne Kunst, auch nicht in Kirchen“, und damit klarstellen, dass man selbst in Kirchen nicht nach moderner Kunst sucht, modern mit schlecht ineins setzt und verbindlich bestimmt, was gute Kunst (und Kunst überhaupt) ist, das ist nicht kunstbeflissen, nicht gebildet und schon gar nicht katholisch. Es ist hochnäsig, und es ist diktatorisch.
Sagt man dann noch, die und jene Kirche sei ja „gar keine richtige Kirche“, weil sie einem stilistisch nicht gefällt, dann erhebt man einen Häresievorwurf aus Geschmacksgründen. Dann sagt man zugleich: Da ist zwar ein Altar und ein Tabernakel, mithin ist es eine Kirche, aber weil ich nicht will, dass Kirchen so aussehen, ist es eben keine richtige Kirche. Wo da wohl die Häresie steckt?



Naja, ich selbst verorte die im Manga-Stil gezeichnete Luce-Figur als ein bisschen kindisch-doof aussehend – aber HARMLOS.
Und ein früherer in unserer Gemeinde tätiger und von mir wegen seiner Bodenständigkeit geschätuter Alter Steyler Missionar pflegte öfters gerne augenzwinkernd zu sagen:
„Gott ist mit die Doofen …“ i.S. von ER hilft ihnen.
LikeGefällt 1 Person
Letzteres kann ich bestätigen, da ich ja auch zuweilen doof bin bzw. handle.
LikeLike
Bin ich – zumindest zeitweilig – auch.
Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, verehrte Frau Sperlich, dass man durch Ihre Links einen Eindruck von moderner christlicher Kunst erhalten kann. Sehr bewegt hat mich auf der Sieger Köder gewidmeten Wikipediaseite das Bild seines Stephanus-Paulus-Brunnens, das sich auch vergrößert ansehen lässt, und der darunter stehende, erklärende Text.
Mit adventlichem Gruß
Hans-Jürgen Caspar
LikeGefällt 1 Person